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Fische und Gerinne

Lebensraum für Fische

Die Alte Aare zählt mit über 20 verschiedenen Fischarten zu den arten- und individuenreichsten Fliessgewässern des Kantons Bern. Dies aufgrund des vielseitigen Lebensraums sowie wegen der Verbindung zur Aare und der Nähe zum Bielersee. Die Alte Aare gehört zum Lebensraumtyp «Barbenregion». Flüsse dieser Fischregion liegen hauptsächlich im Mittelland. Diese Gewässer zeichnen sich durch ein geringes Gefälle (0.5–2‰) und gleichmässige Fliessgeschwindigkeiten aus. Auf dem Substrat mit feinkörnigem Kies bis gröbkörnigem Sand wachsen Wasserpflanzen und die Uferbereiche sind vegetationsreich. Der Sauerstoffgehalt ist schwankend. Das Wasser ist zeitweise getrübt und die mittlere Wassertemperatur im wärmsten Monat erreicht bis 20°C.

Zahlreiche Fischarten finden an der Alten Aare einen geeigneten Lebensraum. (Foto: Martin Mägli)

Der Schneider

In der Alten Aare lebt ein kantonal bedeutender Bestand des wenig bekannten Schneiders. Der Schneider ist ein Kleinfisch von max. 16 cm Körperlänge und gehört zu den Cypriniden (Karpfenartigen). Auf der Roten Liste der Schweizer Fischarten wird er als gefährdet eingestuft. Seinen Namen verdankt er der markanten, charakteristisch nach unten gebogenen, oben und unten auffällig mit schwarzen Punkten eingefassten Seitenlinie, welche an eine Textilnaht erinnert. Die Grundfärbung ist silbern. Männchen und Weibchen sind äusserlich nicht zu unterscheiden. Zur Paarungszeit von Mai bis Juli zeigen die Schneider zudem eine dunkelviolette seitliche Längsbinde. Die klebrigen Eier werden beim Laichen in Substrat mit genügend Hohlräumen wie auch in Ritzen von festen Strukturen gelegt.

Im Kanton Bern besiedelt der Schneider das Aaresystem, die Alte Aare und den Bielersee. In der Alten Aare schwankte der Bestand in den letzten Jahrzehnten stark. Nach einem Tiefpunkt in den 90er-Jahren gehörte der Schneider in den 2010er-Jahren individuenmässig wieder zu den häufigsten Fischarten in der Alten Aare.

Der Schneider (Zeichnung: Gabi Bernet-Zehnder)
(© Michel Roggo)
(© Michel Roggo)

Strukturen für die Natur

Der morphologische Zustand der Alten Aare wurde nach der Juragewässerkorrektion gleichförmig: Der Gewässerlauf war nur noch wenig abwechslungsreich bezüglich Abflüssen, Strömung, Strukturen im Wasser und am Ufer sowie Material auf der Gewässersohle. Mit den Revitalisierungsmassnahmen wurde dieser unbefriedigende Zustand wieder verbessert.

Aufgewertet wurde das Flussbett mit Verengungen und Verbreiterungen, der Schaffung von Flachufern sowie mit dem Einbau von Totholzstrukturen in den Gerinnelauf. Eine Bauweise für Totholzstrukturen sind die sogenannten «Engineered Log Jams» (kurz ELJ). Sie werden sowohl für ökologische Aufwertungsmassnahmen als auch zur Behebung von herkömmlichen flussbaulichen Problemen wie z.B. Ufererosion eingesetzt.

Die Kernstruktur eines ELJ wird jeweils aus mehreren langen Baumstämmen (inklusive Wurzelteller) erstellt. Diese werden auf eingerammten Pfählen schichtweise angeordnet, ineinander verkeilt und überschüttet. Je nach Standort werden Teile eines ELJs auch im Ufer rückverankert.

Von diesen Strukturen profitieren zahlreiche Fischarten. Ausgewachsene Schneider halten sich häufig in tiefgründigen Kolken (Vertiefungen) mit mässiger bis starker Strömung auf. Junge Fische hingegen brauchen seichte und strömungsarme Zonen, damit sie wegen der Strömung nicht abdriften. Totholzstrukturen im Gerinne führen genau zu diesen unterschiedlichen Strömungen und Wassertiefen. Strukturreiche Gewässer mit vielfältigen Materialqualitäten und Totholzstrukturen werden daher von den Schneidern bevorzugt genutzt. 


Lebensraumvielfalt bedeutet Fischvielfalt

Nach den Revitalisierungsmassnahmen wurden die Fischbestände und die Wirkung auf die Fische überprüft. In den Jahren 2018 und 2020 wurden bei Bestandeserhebungen an 14 bzw. 17 Standorten an der Alten Aare durchschnittlich rund 5’000 Fische und insgesamt 22 Arten nachgewiesen.

Darunter befanden sich die vier stark gefährdeten Arten Bachneunauge, Bitterling, südliche Dorngrundel und Äsche und sieben weitere Arten, welche als «gefährdet» oder «potenziell gefährdet» klassiert sind: Schneider, südliche Rotfeder, Atlantische Forelle, Schmerle, Groppe, Barbe und Blicke. Somit ist insgesamt die Hälfte der in der Alten Aare nachgewiesenen Fisch- und Rundmaularten (11 von 22 Arten) auf der Roten Liste aufgeführt.

Über alle Strecken betrachtet, war die Fischdichte, das heisst die Anzahl der Fische in den beiden Untersuchungsjahren 2018 und 2020 vergleichbar. In den neuen Seitenarmen waren die Fischarten der Stillgewässer zahlenmässig stark vertreten, während im Hauptlauf der Alten Aare die strömungsliebenderen Arten dominierten. Mit den ausgeführten Revitalisierungsmassnahmen entlang der Alten Aare sowie dem anfangs des Jahrhunderts erstellten Fischpass in Aarberg wurden die Lebensraumbedingungen für Gewässerlebewesen markant verbessert.

Abfischungen an der Alten Aare (Foto: aquatica GmbH)